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Schulfest war Karriere-Start

  08.08.2020    Kreis Hofgeismar Berichte
Christian Mittnacht trug dreimal das Nationaltrikot und wurde 1989 Deutscher B-Jugendmeister im Zehnkampf

Hofgeismar - König der Athleten – das ist der Titel, den die besten Mehrkämpfer tragen. 1989 konnte sich der Liebenauer Christian Mittnacht gleich zwei Mal die Krone aufsetzen. Er gewann die Deutschen Meistertitel der männlichen Jugend B im Zehnkampf und im Blockmehrkampf Wurf. In seinem Traumjahr holte Mittnacht im Trikot des SSC Bad Sooden-Allendorf weiterhin DM-Bronze in der Zehnkampf-Mannschaftswertung und acht Hessische Meistertitel.

Seine sportliche Laufbahn begann er als Fußballer. Doch beim Stadtschulsportfest 1984 in Warburg wurde Helmut Motyl, Leichtathletiktrainer beim Warburger TV, auf ihn aufmerksam. „Ich hab da alle Disziplinen gewonnen, 100 Meter, Weitsprung, sogar den 1000-Meter-Lauf“, erzählt Mittnacht. Mit 6,29 Metern im Weitsprung hatte Mittnacht 1986 als Zweiter seine erste Nennung in der Schülerbestenliste des Deutschen Leichtathletikverbandes. Auch den ersten Westfalenmeistertitel gab es 1987 in dieser Disziplin. „Ansonsten habe ich einen ganzen Haufen Silbermedaillen, weil Marc Bartels vom TV Wattenscheid immer ein kleines bisschen besser war“. Zum Ende der Saison 1987 empfahl Motyl seinem Schützling den Wechsel zur LG Reinhardswald/TSG Hofgeismar, bei der er bessere Trainingsbedingungen vorfinden würde. Dort war Alex Wernsdorfer, Olympiateilnehmer von Lake Placid 1980, Cheftrainer. Mittnacht machte einen großen Sprung nach vorne. Er setzte vier Kreisrekorde. 6,83 Meter im Weitsprung sind Hallenrekord für alle Klassen, in der M16 wurden die Freiluftrekorde im Weitsprung (6,72 Meter), im Kugelstoß (14,62 Meter) und im Diskuswurf (41,24 Meter) bis heute nicht gebrochen. Er gewann den Hessischen Meistertitel im Zehnkampf und wurde Siebter bei den Deutschen Blockmehrkampfmeisterschaften. Auch Mittnachts jüngere Geschwister waren erfolgreiche Leichtathleten bei der LGR. Sibylle gewann 1988 den Hessischen Hallenmeistertitel im Weitsprung der Schülerinnen W14, Fabian siegte mit der Zehnkampfmannschaft der U20 bei den Hessischen Meisterschaften 1999 und 2000.

Nach der Saison 1988 gab auch Wernsdorfer einen Rat. Mittnacht sollte den nächsten Schritt machen. Der ging an das Sportinternat der Rhenanusschule Bad Sooden-Allendorf und zum dortigen SSC. Hier war es Rolf Greiser, der Mittnacht zu einem Athleten der deutschen Spitzenklasse formte.

„Ich hatte eine geile Zeit im Sportinternat“. So findet es Mittnacht auch sehr schade, dass der Internatsbetrieb in Bad Sooden-Allendorf schon vor Jahren eingestellt wurde. „Wir hatten eine Leichtathletikhalle und ein Stadion und damit ganzjährig optimale Bedingungen.“ Beim Bundeswettbewerb Jugend trainiert für Olympia war die Rhenanusschule Seriensieger im Bundesfinale in Berlin. „1989 sind wir beim internationalen Vergleich der besten Schulmannschaften in Messina/Italien gestartet. Wir wurden Zweite hinter einer spanischen Schule und ich konnte mein Trikot mit einem israelischen Sportler tauschen“.

„Fünf Mal in der Woche haben wir bis zu drei Stunden am Tag trainiert, in Kadertrainingslagern stand auch tägliches Training auf dem Plan.“ Wurftrainer Erhard Schulze hat einen nachhaltigen Eindruck bei Mittnacht hinterlassen. „Der hat uns auf der Stabhochsprungmatte Strecksprünge aus der tiefen Hocke machen lassen. Ein, zwei Minuten ohne Pause bis an die „Kotzgrenze“ und bei einigen darüber hinaus“. Im Kraftraum wurde ebenfalls hart geschuftet. „Ich habe mit der Jochhantel Kniebeugenserien mit 180 Kilogramm gemacht, hatte eine persönliche Bestleistung von 240 Kilogramm“. Logische Konsequenz des gesteigerten Trainingsumfangs war eine wahre Leistungsexplosion im Jahr 1989. Die Deutschen Blockmehrkampfmeisterschaften im August in Düsseldorf waren ein packender Zweikampf zwischen Mittnacht und seinem alten Rivalen Bartels. Bei ständig wechselnder Führung hatte Mittnacht vor dem letzten Wettbewerb noch 104 Punkte Rückstand. Doch mit 6,73 Metern im Weitsprung machte er seinen ersten Triumph auf Bundesebene perfekt. Einen Monat später ging es zu den Deutschen Zehnkampfmeisterschaften in Ahlen. Mittnacht lag nach neun Disziplinen nur auf Rang drei. Mit einer Energieleistung im abschließenden 1500-Meter-Lauf, den er in 4:44 Minuten absolvierte, lief er zum Titel, wieder vor Bartels. Die Nervenstärke hat er sich bei seinem Vorbild Daley Thompson (Olympiasieger 1984 und 1988) abgeguckt. „Der war körperlich schwächer als Jürgen Hingsen, aber mental so abgezockt, dass er ihn immer geschlagen hat.“ Im Trainingslager persönlich kennengelernt hat er die französischen Europameister Christian Plaziat und Alain Blondel.

Drei Mal trug Mittnacht 1989 das Nationaltrikot, bei einem internationalen Hallenmehrkampf in Berlin sowie bei den Ländervergleichskämpfen Deutschland-Frankreich und Deutschland-England-Schweden.

An die Spitzenleistungen der Saison 1989 konnte Mittnacht nie wieder anknüpfen. Bundestrainer Klaus Marek hatte ihm mehr Talent als seinem Kaderkollegen Paul Meier (späterer WM-Dritter von 1993) bescheinigt. Ein Wechsel an den Bundesstützpunkt nach Leverkusen stand im Raum. Doch dann machte ihm eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung. Mit Fußproblemen bestritt er über ein Jahr keine Wettkämpfe. Erst 1991 wurde eine Entzündung an der Achillessehne als Ursache erkannt und an der Uniklinik in Freiburg erfolgreich behandelt. Hinzu kam, dass „Ziehvater“ Rolf Greiser das Internat verließ. „So richtig bin ich danach nicht mehr in die Spur gekommen“. Der Klinikaufenthalt in Freiburg brachte Mittnacht aber zu seinem späteren Beruf. „Weil ich dort ultraintensiv und super erfolgreich physiotherapeutisch betreut wurde, wollte ich auch Physiotherapeut werden.“

Ende 1991 ließ er sein Talent noch einmal aufblitzen. Gemeinsam mit Carsten Ahrens und Christoph Reuber stellte Mittnacht im Angerstadion in Hofgeismar einen Hessenrekord in der Zehnkampf-Mannschaftswertung der männlichen Jugend U20 auf, der erst 2007 verbessert wurde. „Weitsprung, Kugelstoß und Stabhochsprung waren immer meine Lieblingsdisziplinen, aber nachdem ich an der Technik gefeilt hatte, bin ich auch gerne hoch gesprungen“. Das zeigte er im Angerstadion mit 1,92 Metern. 1992 hatte er eine Einladung zur Olympiaqualifikation in Gladbeck, trat aber nicht mehr an. „Danach hatte ich für ein paar Jahre die Nase voll und musste etwas Abstand von der Leichtathletik gewinnen.“ Dafür rückte die alte Liebe Fußball wieder in den Blickpunkt. Mittnacht spielte unter anderem beim TSV Jahn Calden in der Gruppenligamannschaft.

Kurze Episoden in der Leichtathletik gab es aber noch. 1994 überredete ihn Rudi Steinbrecher wieder für die LGR die Spikes zu schnüren. „Fast aus der kalten Hose“ mit drei kurzen Trainingseinheiten war er eine wichtige Stütze der Landesligamannschaft, die beim Hessischen Endkampf in Frankfurt Platz fünf belegte und sprang 6,81 Meter weit. 2000 stellte er sich noch einmal in den Dienst der Mannschaft und erzielte beim Qualifikationswettkampf für die Regionalliga in Baunatal Topergebnisse mit Diskus und Kugel. 2009 kam die Begeisterung für seinen Sport zurück. „Da war ich bei der WM in Berlin im Stadion, als Usain Bolt den 200-Meter-Weltrekord gebrochen hat“. Eigene sportliche Aktivitäten beschränken sich heute auf gelegentliche Fußballspiele mit Freunden in der Soccarena in Hofgeismar. Dafür schickt sich Tochter Leni an in seine Fußstapfen zu treten. Sie ist eine talentierte Nachwuchsfußballerin beim TSV Jahn Calden und hat auch schon in der Hessenauswahl gespielt. „Bella interessiert sich zur Zeit fürs Bogenschießen“. Hier ist Mutter Tina das Vorbild. „Wenn die beiden irgendwann mal leistungssportliche Ambitionen haben, würde ich das voll unterstützen. Für mich war die Zeit im Sport eine der prägendste Erfahrungen meines Lebens.“

 

Zur Person

Christian Mittnacht (48) wurde in Bad Aibling geboren und ist in Liebenau aufgewachsen. Er besuchte die Grundschule in Liebenau, das Gymnasium Marianum in Warburg und die Rhenanusschule Bad Sooden-Allendorf. An der Dr. Rohrbachschule in Kassel machte er seine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Heute ist Mittnacht Inhaber und Geschäftsführer von RehaSport und dem Ambulanten Therapiezentrum in Hofgeismar. Er wohnt in Hofgeismar. Mittnacht ist verheiratet und hat mit Ehefrau Tina die Töchter Leni (12) und Bella (7). (zah)

 

Erfolge

Deutsche Meisterschaften: 1988: 7. Platz Blockmehrkampf Wurf 1989: 1. Platz Zehnkampf, 1. Platz Blockmehrkampf Wurf, 3. Platz Zehnkampf-Mannschaft, 4. Platz Fünfkampf, 5. Platz Weitsprung Westfälischer Meister: 1987: Weitsprung Hessischer Meister: 1988: Zehnkampf, 1989: Weitsprung (Halle), Dreisprung (Halle), Blockmehrkampf Wurf, Fünfkampf, Zehnkampf, Fünfkampf-Mannschaft, Zehnkampf-Mannschaft, 110-Meter-Hürden 1990: 4x200 Meter, 1991: 60-Meter-Hürden (Halle). Weiterhin gewann Mittnacht zwei Deutsche Meistertitel im leichtathletischen Fünfkampf der Turner Persönliche Bestleistungen: Zehnkampf: 7116 Punkte (11,58-6,65-15,67-1,82-37,23-15,21-43,86-3,80-54,70-4:46,35) 110m Hürden: 14,52 Sekunden, Hochsprung: 1,94 Meter, Stabhochsprung: 4,50 Meter, Weitsprung: 7,04 Meter, Dreisprung: 14,11 Meter, Kugelstoß (5kg): 15,67 Meter, Kugelstoß (7,26kg): 13,07 Meter, Diskuswurf (1,5kg) 44,44 Meter (zah)

 

erstellt von Alexander Humme